(Kon)stan(tinou)pol(is) oder…

Istanbul was Constantinople
Now it’s Istanbul, not Constantinople
Been a long time gone, Constantinople
Now it’s Turkish delight on a moonlit night

So take me back to Constantinople
No, you can’t go back to Constantinople
Been a long time gone, Constantinople
Why did Constantinople get the works?
That’s nobody’s business but the Turks

(Text: Jimmy Kennedy, Musik: Nat Simon, The Four Lads)

IMG_0954Im Amerika der 1950er Jahre landeten die Four Lads mit ihrem Lied  Istanbul (Not Constantinople) einen Riesenerfolg. Dutzende Coverversionen dieses Liedes folgten in den kommenden Jahrzehnten. Aufbauend auf dem Rhythmus von Puttin‘ on the Ritz gelang der Band eine unkonventionelle heitere Auseinandersetzung mit der offiziellen Umbenennung der Stadt Konstantinopel in Istanbul im Jahr 1930. Die Namensänderung erregte in einigen westlichen Staaten Aufsehen, da die türkische Post damit drohte, Postsendungen nach „Constantinople“ wieder an den Absender zurückzusenden (Shaw, History, 298).

Lygos, Byzanz, Nova Roma, Konstantinopel, Kostantiniyye, Istanbul, Kostantina, Islambol, Stamboul, Dersaadet… unzählige Namen trug der Platz am Bosporus mit seiner jahrtausendealten Siedlungsgeschichte.  Die meisten dieser Namen heben die Größe und Bedeutung des Ortes hervor. Von der Stadt Konstantins (Konstantinopel) bis zu Nova Roma oder Stadt des Imperators (wie im slowenischen, kroatischen/serbischen Carigrad) reichen die Bezeichnungen für die Stadt der 1000 Namen. Konstantinopel bzw. Istanbul wurde zum Sinnbild, zum Prototypen für „Stadt“ schlechthin – egal ob im Byzantinischen Reich, später im Osmanischen Reich oder in anderen Teilen der Welt.

IMG_1269Bereits in byzantinischer Zeit war aus diesem Grund offenbar auch die Verwendung des griechischen εἰς τὴν πόλι(ν) „is tim boli(n)“ für die Stadt weit verbreitet. Die Bezeichnung bedeutete  „in die Stadt“ und soll der Legende nach von Wegweisern stammen. In welchem Kontext die neue Bezeichnung tatsächlich erstmals auftritt ist unklar, doch es könnte ein Hinweis darauf sein, dass es nicht nötig war, die Weltstadt bei ihrem Namen zu nennen, denn es war offensichtlich, dass mit „die Stadt“ nur Konstantinopel gemeint sein konnte.

Eine weitere populäre Interpretation ist, dass es sich bei Istanbul nur um eine Vereinfachung des langen Wortes (Kon)st(ant)in(ou)pol(is) bzw. (Kon)stan(tinou)pol(is) handelt. Manche Historiker leiten den Begriff auch von Islambol („Vom Islam erfüllt“) ab, doch scheint diese Variante erst im 17. bzw. 18. Jahrhundert häufiger in Quellen auf und dürfte im Volksmund wenig gebräuchlich gewesen sein (Rahn, Patriarchat, 31; Kreiser, Geschichte Istanbuls, 14f). Interessant ist in diesem Zusammenhang der Reisebericht des Bayern Johannes Schiltberger. Schiltberger war als Teilnehmer des Nikropolis-Kreuzzug nach der Niederlage der Kreuzfahrer in osmanische Gefangenschaft geraten. Bereits Anfang des 15. Jahrhundert, noch vor der Eroberung der Stadt durch die Osmanen, berichtet er von der Verwendung oben genannter „Kurzformen“ für die Stadt:

„Constantinoppel ist gar eine schöne grosse stat und wol gepuwen, und ist wol zehen wälsche mil umb fangen in der rinckmur, und hat fünffzehen hundert turren darinn. Und die Stat ist dryecket, und das mer hat die zwen teil umb fangen. Constantinoppel heist die kriechen istimboli. Aber die türcken heissents stampol.“

(Schiltberger, Reisen, 137)

IMG_1139Formen wie istimboli u. stampol, die dem heutigen Namen Istanbul ähneln, dürften daher bereits zu byzantinischer Zeit sowohl bei Griechen als auch bei Türken weit verbreitet gewesen sein.  In den folgenden Jahrhunderten wurden Istanbul, Islambol, Konstantinopel oder Kostantiniyye häufig parallel in Urkunden des Osmanischen Reiches verwendet. Im gemeinen Volk dürfte hingegen die Bezeichnung Istanbul besonders beliebt geblieben sein. Die endgültige Änderung des Namens wurde schließlich durch die junge türkische Republik durchgeführt, welche 1930 den Namen dauerhaft auf Istanbul festlegte. Der Name Konstantinopel wirkte aber in vielen Ländern der Welt noch bis weit in die 1960er Jahre als Bezeichnung für Istanbul nach.

…kein Kaffee in Istanbul

Ein weiteres Kuriosum, mit dem so mancher Reisender konfrontiert wird, sobald er durch die wunderschöne Altstadt von Istanbul spaziert, sind die zahlreichen kleinen Teelokale bzw.  fliegenden Teehändler, die einem an jeder Straßenecke begegnen. Von mahagonibraun bis rot reicht die Farbe des kräftigen aber selten bitteren Tees, der in wunderschönen kleinen Gläsern serviert wird. Wie in einer Zeremonie wird der Tee langsam, mit Bedacht und viel Genuss praktisch zu jeder Tageszeit mit oder ohne Zucker – aber niemals mit Milch – getrunken.

Türkischer Tee...Den berühmten türkischen Kaffee bzw. Mokka sucht man hingegen oft vergeblich auf der Getränkekarte. Erst in einem der schicken kleinen Lokale in Galata, dem Hipster-Viertel Istanbuls, werden wir fündig. Hier wird der typische Kaffee für den zahlenden Touristen aufwändig zubereitet. Im Alltag der Türken scheint er hingegen kaum eine Rolle zu spielen. Eine auf den ersten Blick seltsame Entwicklung für ein Getränk, welches im Osmanischen Reich dermaßen bedeutend war, dass es im Harem des Topkapi Palastes eine eigene Kaffeezeremonie bei der Sultansmutter gab (Pöschl, Istanbul, 27).

Sogar nach Wien sollen die Türken den Kaffee gebracht haben. Der Legende nach hat während der Türkenbelagerung Wiens von 1683 ein gewisser Georg Franz Kolschitzky aus von den Türken erbeuteten Kaffeebohnen den Wienern den ersten Kaffee gebrüht. In Wahrheit dürfte der Kaffee allerdings vom armenischen Spion Johannes Deodato nach Wien gebracht worden sein, der hier 1685 das erste Kaffeehaus eröffnete (Sagen, Wien, 288; UNESCO, Immaterielles Erbe). Doch war zu dieser Zeit auch Armenien Teil des Osmanischen Reiches und so stellt sich die Frage: Wann verschwand der berühmte türkische Kaffee eigentlich aus den Straßen Istanbuls?

IMG_1130Ähnlich wie bei der Umbenennung der Stadt steht auch der Teeanbau mit der jungen türkischen Republik in Zusammenhang. Nach dem Niedergang des Osmanischen Reiches und dem Verlust des Jemens mit seinen wichtigen Kaffeeanbaugebieten, stand man vor einem großen Problem, denn für den Anbau von Kaffee eignete sich das kühlere und trockene Klima der neuen türkischen Republik nicht. Aus diesem Grund experimentierte man mit dem Anbau von Teepflanzen. Nach mehreren missglückten Versuchen (unter anderem in Bursa) fand man schließlich an der Schwarzmeerküste rund um die Stadt Rize ein geeignetes Klima für den Teeanbau. Der entscheidende Hinweis dafür kam vermutlich von den Russen, die bereits zuvor auf der anderen Seite der Grenze in Georgien erfolgreich Tee kultiviert hatten, und somit rund um Batumi das nördlichste Teeanbaugebiet der Welt geschaffen hatten. 1924 genehmigte schließlich das türkische Parlament den Anbau von Tee in der Region mit dem milden, regenreichen Klima.

Mittlerweile ist der Çay [tschai] zum Nationalgetränk der Türken geworden. Der Siegeszug des Tees scheint unaufhaltsam zu sein und so liegt das Land beim jährlichen Pro-Kopf-Tee-Verbrauch nur mehr knapp hinter Großbritannien.

 

Literatur:

  • Encyclopedia of the Ottoman Empire, ed. Gabor Agoston , Bruce Masters, New York 2008. Zitiert nach: https://books.google.at
  • Klaus Kreiser, Geschichte Istanbuls. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 2010.
  • Berit Mrugalska, Wolfgang Morscher, Die schönsten Sagen aus Wien, Innsbruck-Wien 2010.
  • Rainer Pöschl: Istanbul : Reisen mit Insider-Tips, Marco Polo Reiseführer, Ostfildern 1998.
  • Markus Rahn, Die Entstehung des armenischen Patriarchats von Konstantinopel, Hamburg 2002. In: Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte, Bd. 20).
  • Johannes Schiltberger, Reisen des Johannes Schiltberger aus München in Europa, Asia und Afrika von 1394-1427, ed. Karl Friedrich Neumann, München 1859. Zitiert nach: http://books.google.at
  • Stanford and Ezel Shaw (1977): History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. Cambridge: Cambridge University Press. Vol II, p. 386; Robinson (1965), The First Turkish Republic.

Webpages:

Interpretationen von Istanbul (Not Constantinople):